Tuttlingen: Lemberg / Zollernalbkreis: Oberhohenberg

Ende März, wir haben noch Resturlaub der „weg“ muss – es gibt schlimmere Schicksale!
Wir beschließen, dass es losgehen soll, mit den Nussgipfel-Wanderungen. Die Idee dazu hatte genug Zeit zu reifen, jetzt wird es konkret. Und wie das so ist, wenn man ein neues Projekt startet, der sprichwörtliche Zauber des Anfangs liegt in der Luft. Ich freue mich darauf und gleichzeitig bin ich auf eine angenehme Weise ein wenig nervös. Ich möchte aufbrechen und bin gespannt, wie das wird und was wir erleben werden.
Noch haben wir die volle Auswahl an Gipfeln. Für den Anfang wollen wir nicht allzu weit fahren, so entscheiden wir uns für den benachbarten Landkreis Tuttlingen und somit für den Lemberg.
Ich schaue auf komoot nach einer passenden Tour und bastele noch ein wenig daran rum. Der Plan ist, von Gosheim aus zu starten. Dort soll es laut Google auch einen Bäcker geben, wir wollen schließlich möglichst nahe am Ziel einen Nussgipfel kaufen und den dann auf dem jeweiligen höchsten Punkt verspeisen. Also alles super vorbereitet, da kann ja eigentlich nichts schiefgehen – von wegen…
An einem Donnerstag geht es schließlich los. Auf der Fahrt vom Bodensee zur Schwäbischen Alb fahren wir die meiste Zeit durch Nebel, erst ein paar Kilometer vor unserem Fahrtziel kommt die Sonne durch, endlich! Beim Sportplatz findet sich schnell ein Parkplatz. Wanderschuhe an, ich schaue auf dem Handy, wie es zum Bäcker geht. Aber irgendwas ist komisch, der Bäcker, den ich ausgesucht hatte, hatte doch einen anderen Namen und lag auch an einer anderen Stelle im Ort? Dann fällt uns auf, dass wir nicht in Gosheim sind, sondern im Nachbarort Wehingen. Das fängt ja gut an. Vor lauter Aufregung habe ich anscheinend den falschen Ort ins Navi eingegeben. Ist aber kein Drama, also wieder rein ins Auto und nochmal fünf Kilometer weiterfahren.
Industriegebiet Gosheim, Auto abstellen, Rucksack auf den Rücken, los geht’s. Diesmal findet sich auch der angepeilte Bäcker schnell auf dem Handy. Nach ein paar Minuten kommen wir dann auch bei besagtem Bäcker vorbei, müssen jetzt aber feststellen, dass das nur die Backstube ist, nicht aber das Ladengeschäft. Echt jetzt? O.K. so schnell geben wir nicht auf. Wir laufen in den Ort, dort soll es zwei Cafés geben, da gibt es vielleicht auch Nussgipfel zu kaufen. Das erste Café ist geschlossen, ein entsprechendes Pappschild hängt in der Tür. Von hier aus ist aber schon das andere Café zu sehen, also dort hin. Auch zu, nur sonntags geöffnet. Doch dann erblicken wir noch ein Stück weiter eine Bäckerei – hurra! Beim näher kommen sieht diese aber auch irgendwie zu aus. Das Gebäude hat schon bessere Zeiten erlebt, aber an dieser Tür hängt ein Schild mit der Aufschrift „Geöffnet“. Und tatsächlich, das ist unsere gesuchte Bäckerei, die zu der Backstube gehört, an der wir vorhin vorbeigekommen sind. Drinnen ist dann auch alles tip-top. Wir kaufen zwei Nussgipfel und belegte Brötchen, als Verpflegung für den Tag. Die Nussgipfel sind riesengroß, die reichen für zwei Tage. Na also, geht doch!


Jetzt endlich beginnt die eigentliche Wanderung. Ein wenig weiter durch den Ort, dann über Feldwege Richtung Norden zum Waldrand des Lembergs. Ein schöner Weg führt uns hoch in Richtung Gipfel.
Die Frühlingssonne scheint durch den Wald, noch sind keine Blätter an den Bäumen. Es gibt eine Reihe von Wegweisern und Hinweisschilder. Hier ist die Region der 10 Tausender, das heißt es gibt hier zehn Berge, die mindestens tausend Meter hoch sind. Unser heutiges Ziel ist nicht nur die höchste Erhebung im Landkreis Tuttlingen, sondern mit 1015,7 Meter auch der höchste Berg der Schwäbischen Alb. Ausführliche Infos zum Berg, gibt es beispielsweise auf Wikipedia 1


Oben angekommen, steht auf einer Lichtung der 33 Meter hohe Aussichtsturm, eine Hütte und diverse Tische und Bänke, um es sich gemütlich zu machen. In einer Art offener Veranda der Hütte stehen volle Getränkekisten und ein Hinweis, dass man sich gegen eine entsprechende Zahlung bedienen darf. Eine Kasse ist vorhanden und sogar ein PayPal Konto ist angegeben – wir sind begeistert. Ist doch toll, wenn das so unkompliziert funktioniert. Die Welt ist an vielen Stellen besser, als es die Nachrichten vermuten lassen. Jetzt und hier ist alles gut.
Ich steige die vielen Treppenstufen zum Turm hoch und schaue in die Gegend. Angeblich ist das hier der Punkt mit der weitestmöglichen Aussicht in ganz Deutschland2. Bei guten Bedingungen soll es möglich sein, den Mont Blanc zu sehen. Ich sehe in der Ferne ein paar schneebedeckte Berge der Alpen, die aus dem Nebel ragen. Extreme Fernsicht ist heute aber ganz sicher nicht. Selbst wenn man den Mont Blanc sehen könnte, würde ich den sicher nicht erkennen. Ich gehöre nicht zu der Sorte von Bergsteigern, die die jeweils sichtbaren Berge mühelos benennen können. Das übernehmen meistens (ungefragt) andere Zeitgenossen. Meine diesbezüglichen Fähigkeiten beschränken sich auf den Säntis und die Churfirsten, die für die allermeisten einfach zu erkennen sein dürften.


Am Fuße des Turms machen wir in der Sonne Mittagspause. Die Nussgipfel sind, wie schon vorhin erwähnt, sehr voluminös und machen satt.
Dann geht es weiter. Unsere Rundwanderung geht noch über zwei benachbarte Berge. Schmale Pfade durch den Wald, im Schatten ist es noch recht frisch. Kommt man wieder in die Sonne, spüre ich gleich wieder die Wärme, die ich den ganzen Winter vermisst habe. Kurz vor dem Oberhohenberg stehen wir unvermittelt vor einer Hängebrücke, mit der man einen Graben überwindet. Auf dem Oberhohenberg steht eine Stahlkonstruktion, die den Achteckturm der früheren Burg imitiert. Hier sind auch andere Wanderer, aber mit etwas Glück finden wir eine freie Bank, von der aus man eine sehr schöne Aussicht hinüber zum Aufzugs-Testturm in Rottweil hat. Wir machen es uns gemütlich und kochen einen Kaffee.


Unsere Wanderung geht weiter durch den Wald. Wir treffen den Nachmittag über fast niemanden mehr. Der Weg kommt an zwei Kapellen vorbei, inklusive Kreuzweg. Einfach so, gefühlt irgendwo im Nirgendwo, das gibt es auch nicht so häufig. Kurz vor Gosheim verlassen wir wieder den Wald, gleich darauf führt eine kleine Brücke über den Bach „Untere Bära“ und schon stehen wir am nordöstlichen Ende von Gosheim. In Richtung Süden thront, nicht zu übersehen, die Firma Hermle über dem Ort. Ein Traditionsunternehmen, welches seit seiner Gründung im Jahr 1938, dem Standort auf der Schwäbischen Alb treu geblieben ist.
Eine sehr abwechslungsreiche und schöne Wanderung war das heute. Wir freuen uns über den ersten von 35 angepeilten Gipfeln. Ich stelle mir vor, wie es sich wohl anfühlt, wenn wir irgendwann alle Landkreise und ihre höchsten Erhebungen besucht haben.
So weit wäre dann eigentlich alles gesagt – dachte ich bis hierher auch.
Zwei Tage später machen wir uns Gedanken, welche Nussgipfel wir als nächstes besteigen könnten, besagter Resturlaub muss ja, wie eingangs erwähnt, noch aufgebraucht werden. Der Zollernalbkreis liegt auch relativ nah. Welches ist da der höchste Berg, aha der 1009,6 Meter hohe Oberhohenberg3. Moment mal – irgendwas kommt mir da doch bekannt vor. Tatsächlich! Wir haben bei unserer Wanderung zum Lemberg bereits aus Versehen den höchsten Punkt des Zollernalbkreises quasi „en passant“ mitgenommen. Das ist ja lustig, da sieht man mal, wie „strukturiert“ wir das alles angehen. Na ja, zum Glück eben nicht, sonst bleibt am Ende noch der Spaß auf der Strecke. Das gilt es natürlich auf alle Fälle zu vermeiden. Folglich ist auch Gipfel Nummer zwei schon geschafft.

