Vor einigen Jahren bin ich diese Tour schon einmal gegangen, an einem Wochenende Mitte September, an dem mein Mann Wolfgang arbeiten musste und das Wetter so perfekt war, dass ich einfach raus musste. Ich bin den ersten Teil der Tour bis zum Naturfreundehaus Baldenweger Buck allein gegangen, habe dort übernachtet und mich am nächsten Tag am Feldberger Hof mit einer Freundin getroffen, mit der ich dann bis Titisee zusammen gelaufen bin.
Seitdem habe ich eine Wiederholung dieser Tour im Kopf, und zwar ohne Übernachtung in einem Rutsch und natürlich am liebsten mit Wolfgang zusammen. Aber es hat bis zum 16. November 2024 gedauert, bis ich das endlich wahrmachen kann. Wolfgang will zur Zeit nicht ganz so weit laufen, er hat Rückenprobleme. Wir planen also ein Treffen unterwegs, an der Zastler Hütte oder auf dem Feldberg. Es wird sozusagen eine Sternwanderung zu zweit.
Das im Frühling oder im Sommer zu machen, mit Sonne, angenehmen Temperaturen und herrlichen langen Tagen, ist schlauer und sicher angenehmer als an einem kurzen, kalten Spätherbsttag. Aber wie das so ist, die letzten Jahre waren wir viel mit den Rädern unterwegs, dann kam eine längere Zeit ohne solche Aktivitäten für mich, weil ich beide Eltern verloren, in Krankheit und Sterben begleitet und beerdigt habe. Dann sind wir in den letzten 8 Jahren drei Mal umgezogen mit 2x renovieren im größeren Umfang, und so ging ein Jahr nach dem anderen vorbei ohne diese Wiederholungstour.
Als dann ein freies Wochenende anstand und eine supertolle Wettervorhersage für den Hochschwarzwald, war klar, jetzt ist es soweit. Viel Planung war nicht nötig, die Route kenne ich zur Genüge, das Gelände zwischen Freiburg und Hinterzarten haben wir schon oft zu Fuß oder mit den Rädern erlaufen und erfahren, die Strecke stand fest. Ich musste nur schauen, wie ich möglichst früh mit dem Zug nach Freiburg Wiehre komme, um den kurzen Novembertag bestmöglich nutzen zu können. Die Tour ist ca. 40 km lang mit knackigen Höhenmetern und teilweise wurzeligen und steinigen Singletrails. Davon will ich möglichst viel bei Tageslicht laufen und nicht den letzten Teil im Stockdunkeln mit Stirnlampe, wenn ich langsam müde bin.
Also habe ich die DB-App befragt und die hat mir als früheste Zugverbindung 5:23 Uhr ab Mühlhausen angezeigt mit Ankunft in Wiehre um 8:13 Uhr. Schluck, das ist ganz schön früh, zumal ich ja nach Mühlhausen zum Bahnhof auch erstmal eine Viertelstunde laufe. Dann in Engen eine knappe halbe Stunde Aufenthalt, in Donaueschingen nochmal 15 Minuten, und die Züge über den Schwarzwald sind auch nicht grade ICEs.
Autofahren ist aber keine Option (Wolfgang will nach Hinterzarten kommen und von dort mir entgegen laufen zu unserem vereinbarten Treffpunkt, so dass wir dann zusammen wieder nach Hinterzarten laufen können und mit dem Auto heimfahren; außerdem will ich möglichst nicht mit dem Auto fahren, wenn ich nicht muss, ist so ein Umweltfimmel von mir). Die nächst spätere Zugverbindung startet zwar später hier und wäre auch schneller, da die Verbindungen nahtlos passen und ich keine Aufenthalte hätte. Aber dann wäre ich eben auch erst um 9:13 Uhr in Wiehre, und diese eine Stunde ist an einem kurzen Tag zu wertvoll.
Also Wecker stellen und früh raus. Kann ich eigentlich gut, bin eh eine Frühaufsteherin und Morgenmensch. Am Abend vorher lege ich mir die Klamotten zurecht, Stöcke, Iso-Kissen, Wasserflasche, GPS-Gerät, Wanderkarte (die ist in Papier immer dabei, und ich brauche sie nie), geladenes Handy, ein paar geschmierte Brote, Schokolade und Riegel, Handschuhe, Ersatzbatterien. Habe mir sogar eine Liste gemacht, damit ich nichts vergesse.
Wie immer vor einer solchen Tour schlafe ich schlecht, ein bisschen aufgeregt bin ich immer, hauptsächlich aus Vorfreude, aber auch, weil ich nicht sicher bin, ob die Züge auch fahren und ich den Tag überhaupt starten kann. Und wenn ich ehrlich bin, auch, weil ich nicht wirklich weiß, ob ich diese lange Tour schaffen werde. Ich bin zwar fit und weiß im Grunde, was ich mir zutrauen und zumuten kann, aber viel gegangen bin ich in der letzten Zeit nicht. Und jünger werde ich auch nicht. Und ich weiß noch gut, wie groggy ich vor Jahren im Baldenweger Naturfreundehaus war, und da waren es nur 32 km.
Der Wecker klingelt, ich bin sowieso vorher wach und bringe ihn gleich zum Schweigen. Es ist viertel nach 4. Ich komme gut raus, gehe unter die eiskalte Dusche (mache ich seit einigen Monaten jeden Morgen), bin dann warm und wach. Anziehen, Tee trinken, Zähne putzen, Rucksack schnappen, Kuss für den schlaftrunkenen, bettwarmen Mann und raus. Huh, kalt, es hat gefroren, die Scheiben der Autos sind bereift. Der Himmel ist klar, gestern war’s schon sonnig und schön im Hegau nach Wochen Nebel und Hochnebel. Im Schwarzwald wird es heute richtig, richtig schön.
Eine Viertelstunde später bin ich am Bahnhof, natürlich allein. Wer will schon Samstag so früh mit dem Zug nach Engen fahren. Halt, doch, da ist ein Auto an der Straße parallel zum Bahnhof, der Motor läuft, einer sitzt drin, der genauso früh dran ist wie ich und sich das warme Auto gönnt, bis der Zug kommt. Weichei, denke ich, Warmduscher. Und laufe auf und ab, um nicht zu frieren. So eine Autoheizung ist eine nette Sache.
Ich schaffe es zwei Mal, den Bahnsteig komplett rauf und runter zu schlendern, dann kommt der Seehas. 5 Minuten später schon wieder raus, ich bin in Engen. 29 Minuten, bis der Regio nach Karlsruhe kommt. Wenn er pünktlich ist. Ich bereite mich auf weiteres Bahnsteigschlendern vor, da geht die Tür zur Fahrdienstleiterstube auf an Bahnsteig 1 und der Fahrdienstleiter schaut raus. Ich grüße rüber, er grüßt zurück, und ich denke, da gibt’s auch eine Heizung drin, ich geh mal hin. Die nächsten 25 Minuten unterhalten wir uns, er zeigt mir, was er zu tun hat, wie die Anlage funktioniert, die ihm die Weichenstellungen zeigt, und in welchen Abschnitten welche Züge gerade sind. Ist hier ja Provinz, da fahren nicht viele Züge. Ich: Wie bekommen Sie die lange Nacht rum? Er: viel Kaffee (grinst). Und heute Nacht gab’s 3 Güterzüge. Er erzählt von Signalstörungen und was er dann machen muss. Die Anlage ist aus den 60er Jahren. Er würde sich über eine Modernisierung freuen. Die Fahrgäste möglicherweise auch, denke ich.
Die knappe halbe Stunde ist ziemlich schnell rum und er lässt mich noch über die Gleise auf meinen Bahnsteig, bevor er die Schranke zufährt. Und dann kommt auch schon mein Zug, pünktlich, ein heller, warmer, fahrender Ort. Eine Frau ist auch noch gekommen und will mitfahren. Ich laufe auf dem Bahnsteig entlang (in Engen halten die Regios immer ziemlich weit vorne, ich als alte Bahnfahrerin weiß das natürlich) und bleibe irgendwo stehen. Genau da ist eine Tür, als der Zug hält. Die Frau ist hinter mir hergekommen. Sie: Woher haben Sie gewusst, dass hier eine Tür ist? Lacht. Ich: Jahrelange Erfahrung, die Züge und ich sind eins. Lache auch.
Bis Donaueschingen passiert nichts außer der Ticketkontrolle sofort nach dem Einsteigen. In Donaueschingen wieder raus, draußen ist es mittlerweile neblig und feuchtkalt. Weitere 15 Minuten Zeit, bis der nächste Zug kommt, der dann nach Wiehre durchfährt. In der Unterführung von Gleis 1 zum Gleis 5 gehe ich neben einem sympathischen Mann in meinem Alter, der auch in meinem Zug saß und offenbar denselben nächsten Zug anpeilt. Er sieht zünftig aus, ich spreche ihn an.
Es stellt sich heraus, dass er ein Wanderführer im Schwarzwaldverein ist. Während wir auf dem Bahnsteig stehen und warten, dass der Zug kommt, kommen noch weitere Schwarzwaldvereinsleute. Die machen einen gemeinsamen Ausflug zu einer Tagung in Breisach. Ich berichte von meiner Tour, die ich vorhabe. Er: Da würde ich jetzt auch lieber mitgehen als zu der Tagung. Glaube ich ihm sofort.
Die Fahrt ist sehr kurzweilig durch die nette Unterhaltung. Nach knappen 3 Stunden seit Mühlhausen bin ich in Wiehre, steige aus. GPS-Gerät einschalten, Tourdaten auf Null setzen, warten, bis es die Satelliten gefunden hat, dann los. Es ist mittlerweile hell, wenig Nebel, aber immer noch frostig kalt und schattig. Es geht über eine Fußgängerbrücke auf die andere Gleisseite und schon bin ich im Wald. Es geht von Meter 1 an bergauf und wird bis auf den Schauinsland, mein erstes Zwischenziel, ca. 1000 Meter weiter rauf gehen. Ich fröstele und setze mich in Bewegung. Rhythmus finden, atmen. Es geht los, juchuuu!
Ziemlich bald kommt mir ein junger Mann mit zwei Hunden an der Leine entgegen. Er ist barfuß und sieht nicht aus wie ein normaler Hundegassigeher. Er hat einen Rucksack dabei, hat er im Wald übernachtet? Mir wird bewusst, dass ich völlig allein bin. Ich bin kein ängstlicher Typ. Ist es bescheuert, dass ich kurz unsicher werde, nur weil einer keine Schuhe anhat, obwohl es arschkalt ist? Er lächelt mich an, grüßt freundlich, ich grüße zurück.
Die ersten wenigen hundert Meter geht es eine breite Forstpiste entlang, eher langweilig. Ich folge dem Wegweiser zum Kybfelsen. Der Forstweg heißt auch stimmig Kybfelsenweg, aber in meiner Erinnerung war das ein Singletrail, schön zu gehen, und nicht so eine langweilige Piste. Also nehme ich den ersten Abzweig eines Pfades bergauf, auch wenn der keine Wandermarkierung hat. Solange es bergauf geht, kann ich gar nicht falsch laufen. Es wird warm, ich muss mir die Handschuhe ausziehen, die Jacke ausziehen, Hals-Buff ausziehen. Wieder anlaufen, Rhythmus finden, atmen. Da geht das Display meines GPS-Gerätes aus. Batterien alle, verdammt. Wieder anhalten, Ersatzbatterien rausfischen, wechseln. Loslaufen, Rhythmus finden, atmen. Ab jetzt läuft es rund. Ich komme bald an eine Pfadkreuzung mit Schilderbaum, Kybfelsen 5 km. Passt.

Auf wunderbaren Pfaden gehe ich durch den stillen Wald. Es ist zwar hell, aber immer noch ganz schön kalt. Die Sonne steht noch nicht hoch und gickselt immer nur hin und wieder mal durch die schon recht kahlen Bäume. Hier ist viel Laubwald, es ist trocken, an schattigen Stellen, wo den ganzen Tag keine Sonne hinkommt, sind Gras und Blätter raureifig überzogen. Es raschelt bei jedem Schritt. Kurz vorm Kybfelsen ist vor mir ein eher langsam laufender Wanderer, den ich schnell einhole. Ich bin schon ziemlich nah hinter ihm, als er mich hört und ein bisschen erschrickt. Vielleicht sollte man als Wanderer auch eine Klingel dabei haben, wie beim Radfahren. Wir gehen die letzten 500 Meter zum Kybfelsen gemeinsam. Er erzählt, dass er grade in Mexiko war, dort ist es wärmer, überall Blumen, Sonne. Der Weg von Freiburg hier herauf ist ein einziger Traum, aber er redet nur von Mexiko.
Auf dem Kybfelsen geht der Blick nach Westen ins Günterstal und zum Schönberg, herrlich. Nebel wie Watte in den Senken, die Sonne knallt, der Himmel ist blau, die Höhenlinie der Vogesen ist zu sehen. Da drüben lockt der Grandballon.


Zwei junge Frauen sitzen dort und haben ein wahres Frühstücksbuffet aufgebaut. Sie essen, reden, gestikulieren. Ich bleibe kurz dort und genieße den Ausblick, mache natürlich ein paar Bilder. Dann geht es weiter. Noch habe ich einiges vor mir, ich bin knauserig mit der Zeit.


Meine mentale Marschtabelle hat als erstes Zwischenziel den Schauinsland. Das sind runde 1000 Höhenmeter vom Start auf ca. 14 Kilometern. Ich möchte um 12 Uhr spätestens oben sein, habe mir aber vorgenommen, nicht auf die Uhr zu schauen. Ich gehe mein Tempo und mache hin und wieder Bilder. Es dauert halt so lange, wie es dauert.


Etwa 4 Kilometer vorm Schauinsland gibt es einen kleinen Brunnen, eigentlich nur ein Rohr, aus dem Wasser läuft. Ich merke, wie durstig ich bin und trinke das eiskalte Wasser. Ich habe nur eine kleine Wasserflasche mit, es gibt ja unterwegs Auffüllgelegenheiten.
Weiter oben halte ich an einer Bank mit freiem Ausblick rüber ins Rheintal und zu den Vogesen an, hole mir eins von meinen Broten aus dem Rucksack und setze mich eine kleine Weile hin. Von unten her kommt ein älterer Wanderer mit Rucksack und Stöcken. Er nimmt Kurs auf mich und fragt mich, wo ich herkomme. Von Freiburg. Und Du? Ja, auch, er geht jedes Wochenende hier herauf und fährt mit der Gondel wieder runter. Hat Arthrose in den Knien, geht lieber bergauf als bergab. Schön hier, gell? Ja, schön hier. Das haben wir alles vor der Haustür.
Wir brechen gemeinsam auf und gehen weiter. Er geht vor mir, legt ein ordentliches Tempo vor. Ich bleibe ein bisschen zurück, das ist mir zu schnell, will ja noch weiter.
Ich komme an der Gipfelstation der Gondel raus und laufe aber gleich weiter um die Station herum und in Richtung Halde. Jetzt schaue ich auf die Uhr, es ist viertel vor zwölf, ich bin echt schnell unterwegs.
Kurze Pause, ich rufe Wolfgang an und gebe ihm durch, wo ich bin, damit er seinen Weg planen kann. Er ist grade in Hinterzarten losgelaufen, ist auch früh dran.
Noch ein Butterbrot und Jacke wieder an. Hier ist kein Wald, alles offen und der Wind kommt ungehindert entgegen. Nach kurzer Pause geht es weiter. Hier sind echt viele Leute unterwegs, klar, man kann hinfahren.

Das nächste Stück ist ein bisschen langweilig. Es geht mehr oder weniger eben, immer in Sicht- und Hörweite der Schauinslandstraße Richtung Notschrei. Am Parkplatz Haldenköpfle merke ich, dass ich langsam wirklich Hunger bekomme. Die Brote sind längst verarbeitet, ich brauche Nachschub. Ich krame aus meinem Rucksack einen Energieriegel, der schon einige Jahre bei uns zu Hause im Schrank gelegen hat. Er war schon auf diversen Touren dabei und hat bisher jede überlebt. Ich schaue nicht aufs Haltbarkeitsdatum, pule die Hülle runter. Sie klebt am Riegel oder der Riegel an ihr, es ist richtig Arbeit. Das Zeug schmeckt erstaunlich gut. Ich habe jetzt etwa die Hälfte der Tour, aber schon deutlich mehr als die Hälfte der Höhenmeter. Meine Beine fühlen sich gut an, aber ich habe so ein bisschen das Gefühl, dass ich ziemlich langsam geworden bin. Außerdem spüre ich im rechten Oberschenkel außen die Muskulatur. Ein Energieschub ist jetzt nötig, und der kommt auch. Dieser Riegel hält, was er verspricht, und ich gehe nach kurzer Pause weiter.
Ab dem Haldenköpfle geht es wieder in den Wald, breiter Forstweg, hügelig, bis zum Notschrei. Das ist ein riesiges Hotel, große Baustelle für eine noch riesigere Erweiterung. Hier ist auch Skiverleih im Winter, ein großes Nordic Ski Zentrum, riesiger Parkplatz, alles schon jetzt groß und wird noch größer ausgebaut. Wird sich das noch lohnen so viel zu investieren in einen Wintertourismus, dem die Winter langsam aber sicher abhandenkommen?

Vom Notschrei geht es weiter auf breiten Wegen zum Stübenwasen. Auch dieser Abschnitt ist nicht besonders reizvoll. Es geht zwar auf dem Original-Westweg entlang, aber auch der hat eben mal langweiligere Passagen dabei. Das Gasthaus Stübenwasen ist geschlossen, nichts los. Von da geht es dann endlich mal wieder bergauf zum Gipfel Stübenwasen. Das ist eigentlich gar kein richtiger Berg, eher ein langgezogener Rücken, der Weg geht erst am Waldrand entlang, dann wird aus dem Wald Heide mit einem Heidelbeerteppich (ist grade die falsche Jahreszeit) und nach rechts, also nach Südwesten sehe ich mit jedem Meter, den ich höher komme, mehr vom Panorama mit Belchen im Vordergrund und Vogesen weiter hinten. Kurz vorm höchsten Punkt dieses langgezogenen Rückens steht die längste Bank der Welt, oder jedenfalls eine sehr lange Bank. Es ist ein dicker, langer Stamm, in den Sitze gesägt sind. Am oberen Ende braucht man Tritte, um raufzukommen. Die Bank ist natürlich stark bevölkert bei dem tollen Wetter. Ich mache Pause auf einer ganz normalen Bank. Ich liege gut in der Zeit, werde sicher bis 15 Uhr auf dem Feldberg sein und kann hier den Blick und die Pause genießen.


Auch hier sind richtig viele Leute unterwegs, zu Fuß, mit Hunden, Kindern. Mit dem Rad. Alle Altersklassen. Schön, dass auch andere diese fantastische Landschaft und den tollen Tag nutzen und genießen

Vom Stübenwasen zur Sankt Wilhelmer Hütte ist es nicht weit, Wolfgang ruft an, als ich kurz vor der Hütte bin. Ich bin schon oben, wo bist Du? Wilhelmer Hütte, bin in 20 Minuten oben. Ok, dann komm ich Dir entgegen.
Es geht von der Wilhelmer Hütte (die ist zu, aber ich möchte ja sowieso weitergehen) noch einmal ca. 80 Höhenmeter rauf bis zum Feldberggipfel. Es ist kahl hier oben, man kann weit sehen. Ich steige den steilen Weg bergauf und halte Ausschau. Wolfgang ist nicht zu sehen. Zwei Kehren, gleich oben. Wo ist er denn? Er wollte mir doch entgegenkommen? Oben angekommen genieße ich 360 ° Rundumblick mit Alpenkette, Vogesen, Schauinsland, Baldenwegerbuck, Hegau und wieder Alpen. Einfach klasse!
Ich schaue nach dem Nussgipfel-Aufkleber, den wir im September angebracht haben. Der ist weg, spurlos verschwunden. Ich bin vorbereitet, habe einen Ersatzaufkleber dabei und bringe den wieder an. Mal schauen, ob er beim nächsten Besuch noch da ist, wann auch immer der sein wird.


Immer noch kein Wolfgang. Er ist bestimmt irrtümlich den Weg zur Zastler Hütte abgestiegen statt zur Wilhelmer. Wir telefonieren, und richtig, er bestätigt meine Vermutung. Ich gehe den Weg zur Zastler Hütte runter, er kommt mir nochmal ein Stück nach oben wieder entgegen. Ab jetzt können wir zusammen laufen und erstmal zur Zastler Hütte absteigen. Die Öffnungszeiten hatten wir im Vorfeld ergoogelt, die hat offen. Vielleicht gibt es eine heiße Suppe. Wir gehen den Nordhang runter, der ist schattig und kalt. Noch haben wir Tageslicht, aber der Weg hier liegt schon tief im Schatten des Feldberggipfels, die Zastler Hütte liegt in einem echten Schattenloch.

Kurz vor der Hütte geht es über einen vereisten Holzsteg durch ein kleines sumpfiges Stück. Ich mache ein Foto und im nächsten Moment rutschen mir die Füße weg und ich sitze auf dem Steg. Hoppla. Die Stöcke habe ich bisher zusammengefaltet im Rucksack gehabt, hier wären sie vielleicht ganz sinnvoll gewesen.

Nichts passiert, weiter geht’s.
Die Zastler Hütte hat leider zu – so viel zu den gegoogelten Öffnungszeiten. Also keine heiße Suppe, aber Pause machen wir trotzdem. Dann geht es über ein letztes superschönes Singletrailstück zum Rinken rüber.
Den wollte ich auf jeden Fall noch bei Tageslicht oder wenigstens Dämmerlicht erreichen und es ist auch noch richtig hell. Ab hier geht es nun nur noch auf Teer und später dann ab dem Fürsatz auf breiten Forstwegen runter nach Hinterzarten. Wir trotten vor uns hin, längere Pausen will ich jetzt nicht mehr machen, denn da fällt das Wiederanlaufen schwer. Lieber in Bewegung bleiben. Bis zum Auto am Bahnhof Hinterzarten sind es noch ungefähr 5 oder 6 Kilometer.
Oberhalb von Hinterzarten, wo wir aus dem Wald kommen, gibt es eine Box mit Getränken, die gut gefüllt ist. Diese Station kennen wir schon von früheren Touren. Für 2 Euro pro Flasche kann man sich mit Bier, Schorlen und Säften eindecken. Ist zwar alles ziemlich kalt jetzt, aber wir nehmen uns trotzdem ein paar der Flaschen. Wir machen also eine kurze Trinkpause, stecken noch ein paar Flaschen ein und bestaunen den Vollmond, der groß und gelb über Hinterzarten aufsteigt. Toll.


Jetzt wird es schnell dunkel und bis wir die letzten Kilometer nach Hinterzarten gegangen sind, ist es richtig Nacht. Chuefieschtre Naacht. Und dann stehen wir am Auto. Es ist viertel vor sechs. Schön, ich hab’s geschafft. Irre, ich hab’s wirklich geschafft. Schade, vorbei. 41 Kilometer, 1.640 Höhenmeter, 7,5 Stunden Zeit in Bewegung, 5,2 kmh Gehtempo im Schnitt. Nicht schlecht.
Ich setze mich ins Auto, Wolfgang dehnt erst noch ein bisschen. Er fährt. Ich bin froh, dass ich nicht mit dem Zug fahren muss. Mit müde gewanderten Beinen wäre das Zugfahren zwar ok, aber das Umsteigen in Donaueschingen (kommt der Anschlusszug?) und das Heimlaufen vom Bahnhof Mühlhausen muss jetzt nicht mehr unbedingt sein. Ich genieße den Luxus, gefahren zu werden. Und dass das Auto eine Heizung hat. Mir fällt der Mann vom Bahnhof Mühlhausen heute früh ein. Doch gar nicht so dumm. Ich entspanne mich und lasse den Tag revue passieren. Die Beine sind gut, ich bin euphorisch nach diesem Tag, glücklich über die schöne Umgebung, das Wetter, meine netten Begegnungen, die langen Stunden nur mit mir allein, das Treffen mit Wolfgang und das gemeinsame Laufen mit ihm. Ich merke am rechten Fuß eine Blase, hinten an der Ferse, jetzt erst. Und jetzt ist es ja egal. Das letzte Brot esse ich im Auto auf dem Heimweg. Ich bin ein bisschen stolz auf meine Leistung, aber mehr noch einfach nur glücklich über diesen Tag. Und ich bin mir sicher: diesmal werde ich nicht 10 Jahre warten, bis ich wieder auf so eine Tour gehe.

