Juttas Nussgipfel #1-3

Die höchsten Punkte der Landkreise Tuttlingen, Zollernalb und Konstanz per Rad

Als Klaus irgendwann Anfang des Jahres in mein Büro kam, meinte, er hätte da eine Idee für eine neue Challenge, und mir die Sache mit den Landkreisen und den Nussgipfeln erklärte, war ich sofort begeistert. Die verschiedenen Punkte zu erwandern, zu erradeln oder in Kombination mit Zug, Rad und/oder Auto – letzteres so wenig wie möglich – zu erreichen, das klang klasse. Es war allerdings Januar und damit nicht so direkt Fahrradsaison für lange Ausfahrten. Also mussten halt erstmal die Theorie und die Vorbereitungen angegangen werden. Vorfreude ist ja schließlich die schönste Freude.

Ich machte mich sogleich daran, die höchsten Erhebungen in den einzelnen Landkreisen herauszufinden, und es zeigte sich, dass das gar nicht so leicht war. Wenn es ein richtiger Berg ist, klar, dann ist das einfach. Aber wie bestimme ich die höchste Erhebung in einem eher flachen Landkreis? Wikipedia und verschiedene andere Internetquellen führten durchaus zu unterschiedlichen Ergebnissen für einzelne Landkreise. Hhmmm.

Klaus hatte derweil nicht nur ebenfalls eine Liste der höchsten Erhebungen zusammengestellt, sondern auch noch ein Gipfelbuch kreiert, einen Stempel und einen Aufkleber designt und beschafft und eine Website eingerichtet. Toll.
Mittlerweile war es März geworden, mein Mann Wolfgang und ich steckten mitten im Umzug mit der Aussicht auf einige Wochen Renoviererei und Arbeit. Also würde es noch dauern, bis uns der erste Gipfel sehen würde.

Klaus und seine Frau starteten derweil einfach mal mit den ersten Touren. Er war total begeistert von den ersten Nussgipfeln und ich las mit Genuss seine Berichte und lauschte seinen Erzählungen. Es war klar: irgendwann steigen wir auch ein, ein Starterset mit ein paar Aufklebern und dem süßen kleinen Stempelchen hatte Klaus mir längst schon spendiert.

Mittlerweile war es August geworden, der Sommer war im vollen Gang und der längste Tag für dieses Jahr schon wieder Geschichte, als wir uns endlich auf unsere erste Nussgipfel-Tour machen konnten. Der Lemberg im Landkreis Tuttlingen sollte es sein, möglicherweise mit Beifang für die Landkreise Hohenzollern und Konstanz. Wir hatten im Vorfeld mit Komoot eine passende Route gebastelt, die uns von unserem Wohnort Ehingen über Engen, Bargen, Mauenheim, Möhringen-Vorstadt, Seitingen-Oberflacht, Hausen ob Verena, Spaichingen und Gosheim an den Fuß dieses Berges führen sollte. Es war der 10. August und Samstag, somit konnten wir nicht sicher sein, dass wir zu Bäckereiöffnungszeiten vor Ort sein und einen lokalen Nussgipfel würden kaufen können (zumal Klaus und Margit bereits auf dem Lemberg gewesen waren und von diversen Nussgipfelerstehungsschwierigkeiten berichtet hatten). Also organisierten wir in unserem Wohnort zwei Back-up-Nussgipfel, damit dieser Teil der Aktion auf jeden Fall gelingen konnte.
Mehrere der Aufkleber waren ebenfalls im Gepäck, und so machten wir uns morgens um 10 Uhr tatsächlich auf den Weg zum Lemberg.
Wir kennen uns in unserer Umgebung ziemlich gut aus, und damit die Anfahrt nicht bis Spaichingen nur im bekannten Gelände spielte, hatten wir mit Komoot ein paar Varianten eingebaut, die wir noch nicht kannten. Das Wetter war sommerlich und sehr warm, und wir ließen uns Zeit mit Fotopausen und gut fahrbarem Tempo, schließlich geht es netto bis zum Gipfel nur bergauf.

Die Donau überquerten wir bei Hattingen trockenen Fußes – die Versickerung ist immer wieder beeindruckend – tankten in Möhringen frisches Wasser, das es dort direkt am Donautalradweg gibt, und erreichten schließlich Seitingen-Oberflacht unterhalb vom Hohenkarpfen.

Dieser Berg ist eigentlich so toll, wie er da prominent am Talende steht, dass es schade ist, dass er nicht ein höchster Punkt eines Landkreises ist. Ist aber so, also ließen wir ihn links liegen, fuhren eine wunderbare Straße mit sehr wenig Verkehr rauf nach Hausen und rauschten dann nach Spaichingen runter, wo wir uns in einer Eisdiele eine Pause mit einem leckeren Eis gönnten.

Bis hierher war es mehr oder weniger bekanntes Gelände, das wir durchquert hatten. Ab jetzt wartete komplettes Neuland auf uns, und wir waren total überrascht über die gut zu fahrende Route hoch nach Gosheim. Da geht es nämlich entlang der Trasse der ehemaligen Heubergbahn. Genial! Weder von der Bahn noch vom jetzt auf der Trasse eingerichteten Radweg hatten wir bisher gewusst, was für eine tolle Entdeckung! Die Steigung ist permanent da, aber nie steil (die Bahn kann ja keine extremen Steigungen bewältigen), und so legten wir Kilometer um Kilometer auf guter Schotterpiste zurück, vorbei an verschiedenen Infotafeln, Gedenkstätten und Relikten aus der Zeit, als die Züge der Heubergbahn hier unterwegs waren. (Für Interessierte: im Internet findet sich ein Haufen an Informationen zur Heubergbahn, die von 1928 bis 1966 verkehrte.) Auch dieser Abschnitt unserer Anfahrt ist für sich einen Ausflug wert, aber eben: wir waren auf der Anfahrt, und das Ziel unserer Mission rückte zwar näher, war aber noch nicht erreicht.

Kurz vor Gosheim geht es durch einen 126 Meter langen Tunnel, der eine leichte Kurve beschreibt. Er ist natürlich unbeleuchtet, so dass man an einem sonnenhellen Tag wie an unserer Tour kurz vorm Einfahren das Gefühl hat, es geht in ein schwarzes Loch. Oh jee, wir haben kein Licht am Rad… Im Tunnel dann war es aber gar nicht komplett schwarz, unsere Augen gewöhnten sich recht schnell ans Dunkle (Sonnenbrille abnehmen hilft auch 😉) und das Licht am Ende des Tunnels ist dann auch recht bald zu sehen. Außerdem war es angenehm kühl da drin.

Kurz nach dem Tunnel kommt man dann also nach Gosheim, vorbei an dem Lost Place einer alten Seifenfabrik. Ob die wohl bei dem Schmierseifen-Attentat auf die Bahn eine aktive Rolle gespielt hat? Dieses Attentat hat es tatsächlich gegeben als Protest gegen die Stilllegung der Heubergbahn. Und hier mussten wir die schöne Bahnradwegtrasse verlassen in Richtung Lemberg.
Am örtlichen Bäcker kamen wir vorbei (der hatte aber nicht nur längst geschlossen, sondern auch noch Betriebsurlaub, es war also sozusagen doppelt kein Nussgipfel zu kriegen). Uns konnte es egal sein, wir hatten ja unsere Back-up-Nussgipfel dabei.

Gosheim ist nicht groß, wir waren schnell durchgefahren und kamen am Wanderparkplatz mit riesigem Spielplatz und Grillplatz am Fuß des Lembergs vorbei. Ab jetzt war Schluss mit lustig, es ging richtig bergauf und wurde immer steiler. Das letzte Stück konnten wir nicht mehr fahren: zunächst mussten wir wegen einer geschlossenen Schranke sowieso absteigen, dann war das Wiederanfahren bei ca 20 % Steigung und losem, grobem Schotter und mit einigen Kilometern in den Beinen schlicht nicht möglich. Also schoben wir die letzte Wegstrecke, bis wir dann auf dem Gipfelplateau an der Hütte und dem beeindruckend hohen Aussichtsturm ankamen. Juchuuu, unser erster Nussgipfel war erreicht!

Hier war dann erst einmal die Pflicht zu erledigen: Foto vom mitgebrachten Nussgipfel und dem Aufkleber machen, die beiden Aufkleber, die Klaus und Margit im März angebracht hatten, suchen, unseren Aufkleber dazu beppen, den Aussichtsturm erklimmen und die tolle Rundumsicht genießen. Und dann den Nussgipfel essen und entspannen. So war der Plan, aber wir fanden die beiden Aufkleber nicht. Hatten die beiden die Aufkleber so gut versteckt? Ein Anruf bei Klaus brachte Klarheit: nein, nicht versteckt, einfach nur nicht mehr da. Also brachten wir an den beschriebenen Stellen neue Aufkleber an, genossen noch ein Weilchen die schattige Pause und machten uns dann gegen 16.00 Uhr wieder auf den Weg.
Von Klaus‘ Bericht wussten wir, dass der höchste Berg im benachbarten Landkreis Zollernalb nur wenige Kilometer Luftlinie entfernt liegt – wir waren ja hier in der Region der 10 Tausender. Da es sich allerdings um echte Berge handelt, war da auch ein Einschnitt dazwischen, so dass es erstmal bergab ging, nur um dann wieder steil und schotterig nach oben zu führen. Die Wege hier sind eigentlich zum Wandern da und mit dem Rad wegen ausgeprägter Wurzeln und ordentlicher Steigung rauf und Gefälle runter für uns nicht fahrbar. Also schoben und trugen wir unsere Räder über einige schwierige Passagen und fuhren dann ein Stück des Nordrandwegs entlang der Kante der Schwäbischen Alb zum Oberhohenberg. Mit 1.009 Metern Höhe ist der nur wenig niedriger als der Lemberg. Außerdem ist er viel kleiner in der Gipfelfläche, hat eine interessante Stahlkonstruktion in Form des ehemaligen Wehrturms der ansonsten nicht mehr vorhandenen Burg und ist damit für mich viel reizvoller. Kurz vorm Gipfel gibt es noch die von Klaus schon erwähnte Hängebrücke. Mit den Rädern passten wir da nur dank eher schmaler Lenker durch. Bikes mit den heute so üblichen riesig breiten Lenkern haben keine Chance, die müssen die Ausweichroute durch eine Senke nehmen.

Hier war ja noch kein Nussgipfel-Aufkleber zu finden, also platzierten wir unseren Aufkleber an den Wegweiserpfosten, genossen die sommerliche Wärme, das Insektengebrumm und die grüne Wildnis um uns herum und machten uns dann glücklich und zufrieden auf den Heimweg.

Bis zum Wanderparkplatz Gosheim ging’s in Sausefahrt auf anderer Piste bergab, danach auf demselben Weg wie hin zurück zur Heubergbahn und die wunderbare Trasse wieder nach Spaichingen. Jetzt erst merkten wir eigentlich so richtig, dass es vorhin nur bergauf gegangen war. Hier braucht man bis Spaichingen (fast) nicht zu treten.
Ab Spaichingen wählten wir dann die kürzere und flachere Route über Riedheim, Balgheim, Wurmlingen nach Tuttlingen und von dort den Donautalradweg bis vor Geisingen, denn jetzt wollten wir es wissen: da steht ja der Neuhewen quasi an der Strecke. Den können wir doch auch noch mitnehmen, Aufkleber und Nussgipfel hatten wir noch im Gepäck.

Gesagt getan: die letzten Höhenmeter von Kirchen-Hausen rechts der Landstraße auf die Leipferdinger Höhe waren noch einmal steil, dafür aber kurz. Oben auf der Höhe ist dann der Neuhewen eigentlich gar nicht als Berg zu erkennen und gut zu fahren bis auf die letzten Meter Single Trail mit querliegendem Baum. Also noch einmal absteigen, Rad schieben und drüberheben und dann standen wir vor der Ruine der Burg Neuhewen. Uff.

Viel Zeit ließen wir uns hier nicht mehr, die Mücken hätten uns sonst aufgefressen, und ab ging’s im Abendlicht der tief stehenden Sonne runter nach Engen. Dort steuerten wir eine Pizzeria an auf gut Glück, und es war auch draußen ein Tisch frei, so dass wir diese geniale Tour gebührend beendeten.

Wow, was für eine tolle Tour mit vielen fantastischen Eindrücken und Bildern, etlichen ccm Schweißverlust und müden Beinen. Die ersten Nussgipfel waren erfahren, wir hatten unsere Heimat wieder ein bisschen besser kennengelernt und brannten schon jetzt auf die nächsten Touren.

Unsere Tourdaten:
10. August 2024
116 km, 1.550 HM
Tourdauer 08:02 h