Ravensburg: Schwarzer Grat

Am Vortag sind wir bei strömendem Regen nach Isny im Allgäu gefahren. Es hatte den ganzen Tag ohne Unterbrechung geregnet. Das ist selten. Dennoch haben wir uns auf den Weg gemacht, denn alle zur Verfügung stehenden Wetterberichte haben für die kommenden Tage sonniges Wetter prophezeit. Also haben wir uns darauf verlassen, und uns den 1118,5 Meter hohen Schwarzen Grat im Landkreis Ravensburg vorgenommen.
Auf der Fahrt nach Isny frage ich mich, warum die Stadt den Zusatz „im Allgäu“ im Namen trägt. Soweit ich weiß, gibt es sowieso nur dieses eine Isny. Bei uns zu Hause gibt es die Stadt Radolfzell am Bodensee, obwohl es auch nur dieses eine Radolfzell gibt. Zu verwechseln gibt es da nichts. Ich vermute hinter den Namenserweiterungen von Isny und Radolfzell, steckt einfach nur Marketing. Egal, hört sich beides für mich stimmig und schön an.
Nachdem ich am nächsten Morgen ungeduldig den Vorhang im Hotelzimmer zur Seite geschoben habe, scheint tatsächlich die Sonne durch das Fenster hinein. Ich freue mich über das schöne Wetter und möchte den Tag nicht verschlafen. Der Begriff Ausschlafen kann ja durchaus unterschiedlich interpretiert werden. Ich sage mal so, bei mir ist der Zeitpunkt des Ausgeschlafenseins meistens einen „winzigen“ Tick früher, als bei meiner Frau. Zum Glück kommen wir damit aber beide gut klar – so ist zumindest meine Sicht der Dinge.
Nach dem Frühstück im Hotel sind es nur ein paar Meter bis zur nächsten Bäckerei, die wir ansteuern, um uns mit Nussgipfeln und belegten Brötchen einzudecken. Als ich die Verkäuferin nach Nussgipfeln frage, fragt sie zurück, ob ich Nusshörnle meine und ich sage ja, denn wahrscheinlich heissen die hier nur ein wenig anders. So ist es dann auch. Alles hier sieht super lecker aus. Im Hintergrund sitzen schon jede Menge Gäste im angeschlossenen Café. Wenn wir nicht schon im Hotel gefrühstückt hätten, hier würde das bestimmt auch sehr gut funktionieren.

Wir starten unsere Wanderung im vier Kilometer entfernten Großholzleute. Dadurch sparen wir uns ein Stück vom Wanderweg, raus aus Isny. Dieser wäre ohnehin teilweise neben der Straße verlaufen. Von Großholzleute aus, führt ein Schottersträßchen bergauf, bis in den Wald hinein. Den Schwarzen Grat können wir von hier aus noch nicht ausmachen.
Ein Forstweg steigt moderat an. Die Vögel geben ihr Bestes um auf den gerade erscheinenden Frühling aufmerksam zu machen. Alles ist noch nass vom gestrigen Regen. Der Weg aber hat sich von den Niederschlägen offensichtlich wenig beeindrucken lassen, ist schon wieder trocken und somit auch gut zu gehen.
Die von uns gewählte Route verläuft zunächst auf dem Heuberg-Allgäu-Weg Nummer 9, dann verlässt sie ihn wieder, um später erneut auf den Weitwanderweg zurück zu kommen. Der mit HW9 gekennzeichnete Weg führt auf 182 Kilometer Länge von Spaichingen, bis hierher zum Schwarzen Grat. Das wäre auch ein schönes Projekt, wenn wir irgendwann einmal alle Nussgipfel erklommen haben.
Nach einem deutlich steileren Wegabschnitt, steht eine Holzbank am Wegesrand, die sich definitiv für eine Pause aufdrängt. Die Aussicht ist grandios. Auf der Bank sitzend, blicken wir direkt auf die Ausläufer der Allgäuer Alpen, wo es gestern ganz offensichtlich nicht geregnet, sondern geschneit hat. Die Berge sind mit einem weißen „Zuckerguss“ überzogen, so wie unsere Nussgipfel im Rucksack.


Nach einem weiterem Anstieg durch den Wald, erblicken wir schließlich den 28 Meter hohen Aussichtsturm aus Holz, der auf dem Gipfel des Schwarzen Grat1 steht. Jetzt sind es nur noch ein paar Meter und wir stehen auf dem höchsten Punkt des Landkreises Ravensburg, der mit Tischen und Bänken, Holzliegen und einem Abenteuerspielplatz für Kinder das Rundum-sorglos-Paket bietet. Es ist Ende März, wir sind an einem Wochentag unterwegs, deshalb ist wenig los hier oben. Andere Wanderer und Mountainbiker kommen und gehen, aber alles ist sehr entspannt. Im Innern des Turms führen Holztreppen nach oben auf die Aussichtsplattform. Es gibt sogar im Turm noch Rastmöglichkeiten mit Tischen und Bänken. Bei schlechtem Wetter natürlich ideal. Der Eintritt ist frei, wer mag kann eine Spende in eine entsprechend markierte Metallbox werfen.
Von oben hat man, wie nicht anders zu erwarten, einen schönen Rundumblick. In Richtung Süd-West sehen wir sogar den Bodensee.


Wir befinden uns hier so ziemlich am östlichsten Ausläufer von Baden-Württemberg. Die bayrische Grenze ist nur noch ein paar hundert Meter entfernt. Vor der Recherche zu dieser Tour hatte ich keine Ahnung, dass der Landkreis Ravensburg so weit nach Osten reicht. Isny habe ich früher immer schon in Bayern verortet. Erdkunde war allerdings in der Schule auch nicht gerade mein Lieblingsfach. Ich erinnere mich noch an die komischen Landkarten ohne Ortsangaben, nur mit Umrissen, an denen man vor der Klasse stehend, irgendwelche Hauptstädte, Berge und Flüsse hätte benennen sollen. Was für ein Horror! Dass ich vierzig Jahre später Geografie ganz spannend finde, wäre mir damals sicher nicht in den Sinn gekommen. Aber Dinge ändern sich und das ist auch gut so.
Unsere mitgebrachten Nussgipfel sind super-lecker! Premium! Ich habe ja noch nicht wirklich viele Vergleichsmöglichkeiten, aber die hier belegen auf alle Fälle schon mal Platz 1. Sie haben genau die richtige Größe, der Zuckerguss klebt überhaupt nicht an den Händen und sie sind nicht so übertrieben papp-süß, wie das sonst manchmal der Fall ist. Nie passte der Spruch „Klasse statt Masse“ besser. Auch die belegten Brötchen schmecken sehr lecker!

Nach der Mittagspause treten wir den Rückweg an, der etwas südlicher verläuft als unser Hinweg von heute Vormittag. Ich mag Rundwege lieber, das ist interessanter als beide Richtungen auf dem selben Weg zu gehen.
Unser Weg streift noch die Reha-Klinik Überruh. Einen passenderen Namen hätte ich mir für den kleinen Ort mitten im Wald auch nicht ausdenken können. Als Patient mal eben schnell ins nächste Café und unerlaubt ein Stück Kuchen essen, ist von hier aus praktisch unmöglich. Oder aber mit einem so langen Anmarsch verbunden, dass das schon nicht mehr schädlich sein kann. Ruhe kann man hier bestimmt finden, aber „nomen est omen“, mir wäre das glaube ich zu viel der Ruhe – Überruh eben!
Gemütlich, inklusive kurzer Kaffeepause, geht es weiter abwärts, bis wir schließlich wieder in Großholzleute ankommen.
Schön war’s, dieser höchste Punkt kann sich wirklich sehen lassen.
Das, soviel kann ich schon vorweg nehmen, gilt nicht für alle höchsten Punkte, wie sich bei unserem nächsten Ziel noch zeigen sollte. Denn während ich diesen Bericht schreibe, hat die nächste Gipfel-Tour bereits stattgefunden.
Zu Hause stelle ich fest, dass unsere Strecke ein bisschen aussieht wie ein Känguru2.

Bild-Lizenz:
Von PanBK aus der englischsprachigen Wikipedia, CC BY-SA 3.0


Große Sprünge haben wir heute zwar nicht gemacht, aber wir waren auf alle Fälle im Baden-Württembergischen Outback. Das passt dann wieder zum Känguru.
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